Südfrucht trifft auf Urgewalt der Erde
Älgbert Elgson
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Im kleinen Ort Reykholt, etwa 100km von Reykjavik entfernt, am sogenannten Golden Circle befindet sich das kleine Restaurant Friðheimar. Wobei Restaurant trifft es nur bedingt, denn eigentlich handelt es sich hier um einen landwirtschaftlichen Betrieb der mit Hilfe von Gewächshäusern und der Kraft der Erde erfolgreich Tomaten züchtet – mit angehängtem Restaurant.
Auf den Spuren der Geschichte
Das familiengeführte Unternehmen nahm 1995 ihren Anfang als die jetzigen Besitzer einen bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb kauften und reaktivierten. Auf dem Grundstück waren schon zwei Gewächshäuser vorhanden, die schon seit 1946 mit dem in Reykholt natürlich vorkommenden heißen Wasser aus der Erde beheizt wird.
Die Anbaukapazitäten wurden über die Jahre hinweg immer mehr erweitert, sodass heute die jährliche Ernte bei etwa 370 Tonnen Tomaten pro Jahr liegt. Das sind rund eine Tonne der roten Südfrüchte pro Tag nur aus diesem einen Betrieb.
Die Besucher haben die Möglichkeit die etwa 10.000 Pflanzen bei einer Führung durch die Gewächshäuser persönlich kennenzulernen. Dabei erhält man Einblick in die Prozesse und Abläufe des Gewächshausgartenbaus und erfährt wie es möglich ist in diesem kalten Klima Islands ganzjährig Gemüse anzubauen und zum Schluss kann man entweder im angeschlossenen Restaurant inmitten des Gewächshauses die Früchte der harten Arbeit Friðheimars genießen oder im Shop etwas für Zuhause oder die Weiterreise einkaufen.
In den Sommermonaten zwischen Mai und September bietet Friðheimar eine Reitshow „Treffen mit dem Islandpferd“ an. Für Gruppen ab 15 Personen mit Voranmeldung wird Einblick gewährt in die über tausendjährige Geschichte der robusten Islandpferde, die für ihre fünf Gangarten berühmt sind: Zusätzlich zu Schritt, Trab und Galopp beherrschen Islandpferde Tölt (ein ruhiger Lauf) und Skeið (fliegender Schritt) und unterscheiden sich so zu anderen Pferderassen. Nach der Show folgt ein Besuch im Stall.
Weitere Informationen
Island war bis in das 20. Jahrhundert ein landwirtschaftlich geprägtes Land. Im 18.Jahrhundert etwa waren fast 99% in diesem Sektor beschäftigt, wenn man die Landwirtschaft und Fischerei zusammenfasst. Wie überall auf der Welt ist der Anteil der Bevölkerung die sich mit der Nahrungsproduktion beschäftigt auch in Island sinkend. Heute sind es nur mehr 2% der Bevölkerung die in der Landwirtschaft tätig sind.
Die etwa 4000 landwirtschaftlichen Betriebe leben überwiegend von der Schaf- und Rinderhaltung, da bei einer durchschnittlichen Betriebsgröße von ungefähr 3.000 Hektar nur 30 Hektar als Ackerland genutzt werden. Auf diesen werden neben Kartoffeln auch etwas Getreide angebaut. Die geringen Mengen die auf dieser Fläche und vor allem wegen des Klimas geerntet werden können, zwingt Island dazu viele Lebensmittel importieren zu müssen. Dies hat nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische Nachteile.
Daher versuchen isländische Landwirte verstärkt in geothermal aktiven Gebieten des Landes in Gewächshäusern Gemüse anzubauen. Die Energie zum Beheizen der Gewächshäuser liefern die heißen Quellen. Die größte zusammenhängende Gewächshausfläche liegt im Südwesten Islands, in der Gewächshausstadt Hveragerði. Etwa 40.000 Quadratmeter sind hier unter Glas, insgesamt gibt es auf Island ca. 200.000 Quadratmeter Gewächshausfläche. So haben es die Isländer geschafft fast 100% des Eigenbedarfs an Gurken selbst zu produzieren. Bei Schnittlauch sind es etwa 80%, bei Tomaten etwa 75% und bei Salat fast 40%. Hier hat Friðheimar besonders bei den Tomaten und Gurken einen großen Anteil daran, denn die Gewächshäuser produzieren etwa 18% der isländischen Tomaten.
Es wurden auch Versuche unternommen Bananen auf Island anzubauen, doch dies gelang nur mit eher mäßigem Erfolg. Jedes Jahr können in der größten Bananenplantage Europas (je nach dem wie man „Europa“ definiert) nur etwa 500-2000kg Bananen geerntet werden. Anders sieht es jedoch bei isländischen Erdbeeren aus. Hier können die Isländer nur etwa 5-10% des Verbrauches selbst decken.
https://www.facebook.com/watch/?v=849163821893456
Praktische Informationen
Es hat sich herumgesprochen, dass es in Reykholt bei Friðheimar die Möglichkeit gibt isländische Südfrüchte zu verspeisen. Aufgrund der günstigen Lage entlang des Golden Circles wird das kleine Restaurant inmitten der Tomatenpflanzen im Gewächshaus gerne besucht um sich für weitere Erkundungen zu stärken.
Aufgrund der Lage und weil es bei Touristen und Einheimischen immer beliebter wird, empfehlen wir unbedingt einen Tisch zu reservieren.
In Reykholt befindet sich auch ein kleiner mit dem notwendigsten ausgestatteter Campingplatz in unmittelbarer Nähe. Wer nicht in einem mobilen Heim übernachten möchte kann dies auch in den privatgeführten Unterkünften im kleinen Ort tun.
Anreise
Friðheimar liegt im kleinen Ort Reykholt direkt am sogenannten Golden Circle entlang der Straße 35 etwa 100 Kilometer von der isländischen Hauptstadt Reykjavik entfernt.
Es besteht zwar die Möglichkeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln dorthin zu kommen, doch aufgrund der relativen Abgelegenheit ist dies ein sehr zeitintensives Unterfangen.
Der Golden Circle und dessen Sehenswürdigkeiten kann jedoch bei einer Tagestour mit einem Bus in Angriff genommen werden. Die Tagestouren starten in Reykjavik und wir empfehlen die Anbieter zu vergleichen.
Direkt bei Friðheimar befindet sich ein ausreichend großer Parkplatz, der auch mit großen Wohnmobilen genutzt werden kann.
Fazit:
Wir waren bei unserem Besuch sehr begeistert. Die Möglichkeit die Wärme des Landes zum Gemüseanbau zu nutzen gibt es nicht so oft. Die Isländer haben es geschafft so zumindest einen Teil ihres Eigenbedarfs zu decken.
Das Essen im Restaurant war sehr gut. Fast alles das auf den Teller kommt wächst rund um einen herum. Die Suppen, Getränke, Haupt- und Nachspeisen sind aus den angebauten Gurken und Tomaten gemacht. Im Gewächshaus sind kleine Bienenstöcke aufgestellt um die Planzen zu bestäuben. Diese stören aber überhaupt nicht, sondern tragen zum passenden Ambiente bei wenn sie über den Köpfen von einer Pflanze zur nächsten fliegen. Die Tische sind gemütlich im Gewächshaus platziert und man fühlt sich wie zuhause.
Wer auf den Genuss gekommen ist, kann danach noch etwas aus dem Shop für nachhause mitnehmen.