Die Suche nach dem Glögg beginnt für uns in Stockholm.
Älgbert Elgson

Wer die Geschichte unseres Älgs kennt, weiß, dass er aus dem finnischen Rovaniemi kommt und dort im Weihnachtsmanndorf aufgewachsen ist. Daher fasziniert ihn alles was auch nur im entferntesten mit Weihnachten zu tun hat. Obwohl wir eigentlich erst im Sommer wieder in skandinavischen Gefilden unterwegs waren als wir den Süden des Nordens erkundeten, spürte unser Reiseälg eine innerliche Unruhe die ihn wieder gen Norden zog. So entschieden wir mit einer knappen Zweidrittelmehrheit diesen Winter einen außerplanmäßigen Urlaub in Stockholm einzulegen um dort die örtlichen Weihnachtsmärkte zu erkunden.
Folgend sind unsere Erlebnisse bei dieser Reise in Form eines Reisetagebuchs beschrieben.

Ankunft
Donnerstag, 8.Dezember 2022
Der Tag begann für uns erst relativ spät, denn unser Zug nach Wien sollte erst um 09:16 abfahren. Gut vorbereitet und mit einer Sitzplatzreservierung bewaffnet stiegen wir in Linz ein. Als wir dann „pünktlich“ um 09:30 aus dem Bahnhof ausfuhren, konnte unser Abenteuer auch schon beginnen. Mit 200km/h zog die Landschaft an uns vorbei und wir kamen ohne besondere Vorkommnisse am Hauptbahnhof von Wien an. Aufgrund der leichten Verspätung blieb uns nur eine einzige Minute Zeit um unseren Anschlusszug zum Flughafen zu erwischen. Wer Bahn fährt bleibt fit. Mit unseren Koffern sprinteten wir in einem Tempo, das selbst bei Olympia beeindruckt hätte, zum richtigen Bahnsteig. Der nette Schaffner entgegnete uns mit einer freundlichen Stimme das Motto der Österreichischen Bundesbahnen: Nur keine Eile! Wir haben Zeit. Steigen sie in Ruhe ein.
Welch Glücksfall für uns, denn ohne diesen Schaffner hätten wir auf den nächsten Zug warten müssen und wohl unseren Flug verpasst. Am Flughafen Arlanda angekommen, warteten wir geduldig am Kofferband. Wir bekamen vor unserer Reise wertvolle Geheimtipps von Einheimischen und bekannten und werden diese sicherlich in den nächsten Tagen ansteuern. Der Arlanda-Express brachte uns in kurzer Zeit in die schwedische Hauptstadt und nur ein kurzer Fußmarsch trennte uns von unserem Hotel.
Schon wenige Schritte vom Hauptbahnhof entfernt wurde uns klar, dass es in Stockholm durchaus kälter ist als zuhause. Ein eisiger Wind mit nur -7°C wehte um unser Gesicht und die Prognose für die kommenden Tage sagte noch kältere Temperaturen voraus. Doch von solchen Kleinigkeiten lassen wir uns nicht aufhalten. Die Koffer schnell im Hotelzimmer verstaut ging es auch schon auf Erkundungstour um uns einen Überblick verschaffen zu können.
Illuminierte Älgs, stimmungsvolle Weihnachtsbeleuchtung und gülden glänzende Konsumtempel gehörten zu den ersten Zielen die wir ansteuerten. Der Reiseproviant wurde aufgefüllt und somit konnte das Abenteuer beginnen. Der weitere Verlauf wurde bei traditionellem Julmost besprochen und ein grober Schlachtplan wurde erstellt, doch wer unsere Reisen kennt, weiß, dass unsere Pläne selten wie gewünscht funktionieren und wir doch wieder improvisieren müssen, doch das wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ob es bei diesem Abenteuer genauso sein würde wie bei unseren vergangen.
Erkundungstour
Freitag, 9.Dezember 2022
Der Wecker klingelte und voller Tatendrang sprangen wir aus dem Bett und unter die Dusche. Das reichhaltige Frühstück schmeckte angesichts des beeindruckenden Ambientes noch um ein Stück besser und wir bereiteten uns auf den anstehenden Tag vor. Der Tag sollte ähnlich entspannt beginnen wie der davorige aufgehört hatte uns so starteten wir unsere Erkundungstour in Richtung Gamla Stan. Wir sind nun nicht das erste Mal hier, doch ist es immer wieder schön zu merken, dass man, auch wenn man denkt eine Stadt schon zu kennen, doch immer wieder neue Aspekte und Facetten kennenlernen darf. Unser Weg führte uns zu aller erst an den typischen Sehenswürdigkeiten vorbei, denn wir wollten zuerst den Panoramablick vom Monteliusvägen am Mariaberget genießen an dem wir uns bei unserem ersten Besuch in die Stadt verliebten. Von dort hat man einen guten Überblick über die Altstadt, das Rathaus bis hin zu Gröna Lund, dem großen Vergnügungspark Stockholms.
Die Altstadt Stockholm (Gamla Stan) hat vieles zu bieten. Von kleinen verwinkelten Gassen bis breiten Prachtstraßen ist alles vertreten. Auch die vielen typischen Touristen- und Souvenirgeschäfte sind zahlreich anzutreffen. Doch zwischen den vielen Ramschgeschäften gibt es sie noch, die kleinen Läden die ortsübliche Handwerkskunst und keine China-Massenware vertreiben. Auch wenn es sich hierbei um manch skurrile Andenken wie etwa handgemachte vegane Klobürsten handelt. Heute ist uns auch zum ersten Mal wirklich bewusst geworden, dass wir zufälligerweise genau in der Woche nach Stockholm gereist sind in der auch der Nobel-Preis verliehen wird. Beim Schloss fielen uns die vielen gleich aussehenden Volvos mit der selben Aufschrift auf: Volvo Official Car The Nobel Prize. Dank unseres Entdeckerglücks haben wir, wenn auch mit reichlicher Entfernung, der Fotosession einiger der diesjährigen Nobelpreisträger mit der schwedischen Königsfamilie beiwohnen dürfen. Also, sie waren im Schloss und wir haben sie nur durch das große Eingangstor gesehen während wir draußen auf dem Parkplatz neben den offiziellen Volvos standen, aber dennoch waren wir irgendwie dabei.
Der kleine Weihnachtsmarkt am Stortorget gleich hinter dem Schloss beim Nobelpreismuseum brachte uns nun endgültig in Weihnachtsstimmung und stimmte uns auf die kommenden Tage ein. Der Geruch nach gebrannten Mandeln und Glögg (schwedischer Glühwein mit Rosinen und Mandeln) überzeugten uns und wir verließen gestärkt unseren ersten Julmarknad in der schwedischen Hauptstadt.
Auch die stärksten Abenteurer kann die Kälte in die Knie zwingen. So beschlossen wir uns etwas im Mittelaltermuseum vor dem schwedischen Parlament aufzuwärmen und etwas über die Geschichte der Stadt zu erfahren. Eher zufällig entdeckte man beim geplanten Bau einer Tiefgarage die Überreste der mittelalterlichen Stadtmauer und Fundamente von Häusern. Bei den Ausgrabungen wurden viele Artefakte, von kleinen Glasperlen bis zu ganzen Schiffen, gefunden und man beschloss dem sensationellen Fund lieber ein Museum zu bauen als eine triste Tiefgarage. Der Eintritt zu dem sehr gut aufbereiteten Museum war zwar gratis, aber auf jeden Fall nicht umsonst. Anhand vieler Modelle wurde uns die Entstehungsgeschichte und Entwicklung Stockholms leicht verständlich dargestellt. Auch die Familie Ratzeberger durften wir kennen lernen, die in einem alten Tunnel eingezogen sind und sich sichtlich schon auf Weihnachten vorbereiteten. Als der Himmel dunkel wurde machten wir uns erneut auf den Weg zum Stockholmer Rathaus. Zur Feier des Nobel-Preises wurden in der ganzen Stadt Kunstwerke aus Licht installiert. Diese sind mit den Gebäuden auf die sie projiziert werden so gut integriert, dass man das Gefühl bekommt die Gebäude würden tanzen und sich bewegen.
Auf dem Rückweg zum Hotel mussten wir noch ein weiteres, jedoch erwartbares Problem angehen -> die Kälte. Aufgrund der häufig wehenden kalten Winde kommt es vor, dass nach einem ganzen Tag an der frischen Luft selbst einem Älg an der Geweihspitze etwas kühl wird. Ein neues Paar langer Thermounterwäsche sollte es nun richten. Diese benötigten wir auch dringen, denn wir hatten noch Großes vor! 🙂
Skansen
Samstag, 10.Dezember 2022
Wenn es eine Konstante bei unseren Reisen und Abenteuern gibt, dann definitiv, dass unsere durchdachten Pläne am Ende aus verschiedensten Gründen nie wie vorgesehen ausgeführt werden können. Irgendein unvorhergesehenes Ereignis vermag es stets, dass wir schlussendlich dann doch wieder improvisieren müssen. Bei unserer Suche nach dem Glögg in Stockholm sollte es der Schuh des Älgbegleiters sein, der am wichtigsten Tag unserer Reise den Dienst quittierte. Die Sohle löste sich vom restlichen Schuh und an eine weitläufige Erkundung zu Fuß bei diesen kalten Temperaturen war nicht zu denken. Also mussten wir wieder einmal improvisieren und zu aller erst wieder adäquates Schuhwerk besorgen. Durch die strategisch hervorragende Lage unserer Unterkunft bedeutete dies aber nur eine geringe Zeitverzögerung und der Marsch zum Skansen konnte leicht verspätet beginnen.
Heute ist der Tag gekommen an dem wir uns zum großen Weihnachtsmarkt im Skansen, dem Stockholmer Freilichtmuseum auf dem westlichen Teil der Halbinsel Djurgården (eigentlich heißt sie Valdemarsön) begaben. Es wurde am 11.Oktober 1891 mit dem Ziel der Erhaltung und Zugänglichmachung der schwedischen Kultur und Bräuche eröffnet und war, bis auf eine kurze Unterbrechung zwischen November 2020 und April 2021, durchgehend täglich geöffnet. Der beliebte Weihnachtsmarkt findet seit 1903 an den Weihnachtswochenenden statt und erfreut sich großer Beliebtheit. In den alten Gebäuden des Freilichtmuseums wurden die Innenräume weihnachtlich geschmückt und in manchen spielten Musiker alte traditionelle Klänge auf ihren Musikinstrumenten. In der Seglora-Kirche wurden Luciagesänge aufgeführt und im Ordenshuset konnten wir eine Lucia-Feier beiwohnen, wie sie in den 1920er Jahren gefeiert wurde. Am Bollnästorget, dem großen Platz im Freilichtmuseum Skansen, wurden viele kleine Verkaufsbuden aufgestellt, die allerhand anzubieten hatten. Von gestrickten Wollmützen, Bienenhonig, Christbaumkugeln bis hin zum leiblichen Wohl war alles vorhanden das man sich auf einem Weihnachtsmarkt wünschen könnte. Auf der Bühne und dem Tanzboden wurden schwedische Weihnachtsklassiker angestimmt und die Menschen fingen an wie kleine Frösche um den Weihnachtsbaum zu hüpfen. Alle Altersgruppen nahmen an diesem Tanzspektakel mit Begeisterung teil und auch wir verspürten den Drang uns mit der Menge zu bewegen. Doch uns hinderte, dass wir absolut keine Ahnung davon hatten was wir hätten tun müssen um im Tanzreigen nicht sofort als Nicht-Schweden aufzufallen. Wir hätten uns wohl vorher Erklärvideos wie dieses hier ansehen müssen um die schwedischen Bräuche besser verstehen zu können:
Nach einer ausgiebigen Einkaufstour bei den verschiedenen Verkaufsbuden suchten wir uns einen strategisch klugen Platz um dem eigentlichen Highlight des heutigen Tages beiwohnen zu können. Denn es war nicht irgendein Tag, sondern der Samstag vor dem eigentlichen Lucia-Fest am 13. Dezember. Im Skansen wird hierfür traditionell ein Lucia-Konzert veranstaltet, das wir uns auf keinen Fall entgehen lassen wollten. Die engelsgleichen Stimmen der Lucia und ihrem Gefolge erhellten die Nacht, genauso wie die Lichtkrone, die Lucia am Kopf trägt. Sie soll in der längsten und dunkelsten Nacht des Jahres Licht in das Leben der Menschen bringen. Die längste Nacht des Jahre ist zwar eigentlich am 21. Dezember, doch die Kalenderumstellung 1752 und die Tatsache, dass die Schweden die Wintersonnenwendbräuche und Lucia-Feiern „schon immer“ am 13.Dezember feierten konnten sie nicht dazu bewegen das Datum zu ändern. Doch eigentlich ist es erst eine junge Tradition, denn zu einem landesweiten Brauch entwickelte sich das Luciafest erst in den letzten hundert Jahren, als Ende des 19. Jahrhunderts das Skansen seiner Aufgabe nachkam und die westschwedischen Luciatraditionen aufnahm, um sie für kommende Generationen zu bewahren. Dieser Prozess verstärkte sich, als eine Stockholmer Zeitung im Jahr 1927 zum ersten Mal eine Lucia wählte und sich in der Folge über die ursprünglichen Grenzen hinaus in der schwedischen Bevölkerung verbreitete und einen festen Platz im schwedischen Brauchtum fand. Mit leicht erfrorenen Füßen, doch mit vielen neuen Eindrücken traten wir nach erfolgreichem Abschluss des Lucia-Konzertes den Fußmarsch zurück zum Hotel an.
Königlicher Besuch
Sonntag, 11.Dezember 2022
Bei knackigen -8°C starteten wir nach einem weiteren ausgiebigen Frühstück in den Tag. Unser erstes Ziel war erneut der königliche Palast im Herzen Stockholms, um dieses Mal auch das Innere des Gebäudes zu erkunden. Bei keinem unserer vorherigen Stockholmaufenthalte gelang es uns diesen Besuch zeitlich in unseren knappen Zeitplan unterzubringen.
So schnappte sich Älgbert seine Krone, denn irgendwo in diesem großen Gebäude muss es doch einen Thron geben um den Palast für sein Königreich Älgia in Besitz zu nehmen. Das Schloss steht auf den Fundamenten einer älteren Burg die im 16.Jahrhundert ausgebaut und vom Reichssymbols, den drei Kronen, gekrönt wurde. Die daher Tre Kronor genannte Burg sollte zur Jahrhundertwende des 18. zum 19.Jahrhunderts zu einem repräsentativen Schloss ausgebaut werden, doch schon kurz nach Beginn des mehrjährigen Umbauprozesses im Jahr 1692 brannte das Gebäude fast vollständig nieder. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde das Schloss etappenweise wiederaufgebaut. Die ältere Baugeschichte kann im Keller des Schlosses besichtigt werden. Im dort untergebrachten Museum „Tre Kronor“ wird den Besuchern die Entstehungsgeschichte des wichtigen Gebäudes nähergebracht und die Besucher können an den Mauern die einzelnen Bauettappen erkennen. In einem anderen Teil des Kellers ist die Schatzkammer untergebracht in der die unschätzbar wertvollen Insignien der Macht Schwedens hinter dicken Panzertüren untergebracht sind. Die dort ausgestellten Kronen weckten sofort gewisse Begehrlichkeiten bei unserem Reiseälg.
Während das Äußere im italienischen Barockstil erbaut wurde, so ist im Inneren eine breite Mischung aus barockem Klassizismus, Rokoko und Empire-Stil vorhanden. Geradlinigkeit, Strenge und pompöse Feierlichkeit sollten Größe und Macht des Herrschers veranschaulichen. Dies spiegelt sich vor allem in den Repräsentationsräumen des Schlosses, wie etwa in der Reichtagshalle (Rikssalen) mit dem Königsthron, wider.
Nach der erfolgreichen Schlossbesichtigung und Einverleibung in das Königreich Älgia ging es nach der Beaufsichtigung des Wachwechsels durch König Älgbert für uns weiter. Wir schlenderten über die Drottningsgatan (Königinstraße) zur Kungsgatan (Königsstraße), beides beliebte Einkaufsstraßen, und schauten in die Schaufenster der Geschäfte. Im edlen Café Vete-Katten (Weizenkatze) im Stile der 1920er Jahre ließen wir es uns bei einem Stück Prinsesstårta (Prinzessintorte) gut gehen und wärmten uns von innen mit einer großen Tasse heißer Schokolade. Gestärkt und aufgewärmt setzten wir die Erkundung weiter fort und schlenderten unter den Weihnachtsbeleuchtungen der Einkaufsstraßen zurück zu unserem Hotel. Ein Abendessen im Restaurang Prinsen rundete diesen Tag mit typisch schwedischen Köttbullar und Ankbröst ab.
Als kleinen Verdauungsspatziergang besuchten wir ein letztes Mal die Nobel Week Lights, die anlässlich der diesjährigen Nobelpreisverleihung installiert wurden und Wahrzeichen Stockholms mit Kunstwerken aus Licht beleuchteten.
Julbord
Montag, 12.Dezember 2022
Der Wecker klingelte erbarmungslos und riss uns aus unserem Tiefschlaf. Wir waren jeden Tag mindestens zwölf Stunden zu Fuß in der Kälte unterwegs und schön langsam hinterließ es Spuren. Das Frühstück war wie gewohnt sehr reichhaltig und verhalf uns unsere Kräfte neu zu bündeln um einen weiteren Tag diese schöne Stadt erkunden zu können. Unsere erste Station an diesem Tag war das Rosendal Slot auf der Halbinsel Djurgården und dessen Umgebung. Das Schloss ist zwar in der Wintersaison geschlossen, doch das konnte unseren Älg nicht davon abhalten dieses, wie auch gestern das Kungliga Slottet, in Besitz zu nehmen und zu erobern. Aus Ermangelung eines Thrones musste diesmal dafür eine Parkbank vor dem Schloss herhalten.
Im Rosendals Trädgård, der sich derzeit ebenfalls im Winterschlaf befindet, konnten wir endlich einen passenden Weihnachtsbaumschmuck finden. Wir haben von all unseren Reisen bis jetzt etwas mitgenommen, das wir zu Weihnachten auf unserem Baum hängen können um uns beim Anblick an all die schönen Abenteuer zu erinnern. Isländische Weihnachtsschafe aus Filz, norwegische Engel aus königlicher Glasproduktion, einem Londoner Erinnerungsstück zum 70.Thronjubiläum der Queen und viele weitere Skurrilitäten zählen zu unseren Schätzen. Dieses Jahr konnte ein schwedischer Julbocken aus Stroh zu unserem Baumbehangsreportoire dazugewonnen werden.
Auf der kleinen Insel Beckholm befindet sich heute noch eine kleine Werft, wie es früher viele dieser Art in Stockholm gegeben hatte. Vor dieser Insel ist die Vasa bei ihrer Jungfernfahrt gesunken. Diese dauerte nur etwa 20 Minuten und das Schiff ließ dabei nur etwa 1400 Meter hinter sich bevor es aufgrund von Baufehlern bei schönem Wetter kenterte und auf den Meeresboden versank. Dieses Schicksal ist uns zum Glück nicht ereilt als wir mit dem Fährschiff von Gröna Lund an der Schiffsuntergangsstelle nach Slussen vorbeifuhren. Dort angekommen ging es für uns weiter zum „Balkon der Stockholmer“, einer Aussichtsterrasse in der Fjällgatan von der man aus einen schönen Ausblick über die Gamla Stan und Gröna Lund, sowie Skansen hat. In der dahintergelegenen Stigbergsgatan sind noch einige wenige der alten Holzhäuser übrig die früher das Stadtbild, vor allem der ärmeren Stadtteile, geprägt hatten. An beiden Seiten der Stigbergsgatan standen früher einfache Holzhäuser. Als Anfang des 20.Jahrhunderts zwei große Schulgebäude errichtet wurden, wurde die Gegend schlagartig attraktiver, sodass viele der typischen Holzhäuser für Neubauprojekte aus Stein und Ziegel abgerissen wurden. In den 1940er und 50er Jahren hatten immer noch viele der alten Holzhäuser keinen Zugang zu fließenden Wasser, dem Abwassersystem oder anderen modernen Annehmlichkeiten. Dies änderte sich erst als in den 1970er Jahren die verbliebenen Häuser renoviert und mit einer besseren Isolierung, einer Zentralheizung, modernen Küchen und Toiletten ausgestattet wurden. Nur nicht das Haus mit der Nummer 21, dem schiefsten Haus in der Straße. Dieses wurden Anfang der 1980er Jahre in den ursprünglichen Zustand versetzt und renoviert wie die Häuser um die Jahrhundertwende aussahen. Dieses „Blockmakerens Hus“ genannte Gebäude ist heute Teil des Stockholmer Stadtmuseums und kann besichtigt werden.
Der Rückweg zum Hotel führte uns vorbei an der Katarina Kyrka und direkt entlang einer Einkaufsstraße. Davon gibt es in Stockholm erstaunlich viele mit immer gleichen Geschäften internationaler Ketten. Doch zwischen diesen befinden sich wahre Juwele der entschleunigten skandinavischen Konsumkultur. In einem Geschäft für alte Lampen ließen wir uns für Umdekorierungspläne inspirieren und bei einem Zeitschriftenhändler konnten wir uns endlich eine Ausgabe des neuesten Hälge-Comics sichern. Nach einem Kurzbesuch beim Weihnachtsmarkt vor dem Nobel-Museum und dem Verzehr einer Waffel und Glögg ging es zurück zum Hotel, denn heute hatten wir etwas besonderes für den Abend geplant. In Schweden ist es üblich in der Weihnachtszeit ein Julbord entweder zuhause für Freunde und Familie zu veranstalten oder, wenn diese Möglichkeit nicht besteht, dieses mit Freunden und Verwandten in einem Restaurant zu sich zu nehmen. Dabei handelt es sich um ein Buffet mit Graved Lachs (gravad lax), geräuchertem Lachs (rökt lax), eingelegtem Hering (inlagd sill) und geräuchertem Aal (rökt ål). Im Hauptteil des Julbord werden warme Gerichte angeboten, wie die traditionellen Fleischbällchen (köttbullar), Würste(korvar) und anderen Fleischgerichten. Dazu gibt es Kartoffeln, Bratkartoffeln, Gemüse und Saucen, sowie kalten Aufschnitt und verschiedene Knäckebrot- und Brotsorten mit Butter. Zum Abschluss, falls man noch nicht aus allen Nähten platzt, kann man in der Nachtischabteilung mit Früchten, Süßigkeiten und Kuchen die restlichen freien Stellen im Magen füllen. Kugelrund, aber glücklich traten wir spät abends den Rückmarsch zum Hotel an. Ein weiterer erfolgreicher Tag mit vielen neuen Eindrücken ging zu Ende.
Luciatåget
Dienstag, 13.Dezember 2022
An diesem Morgen sind wir sogar noch vor dem Weckerklingeln wach geworden, denn es war ein besonderer Tag. Am 13.Dezember wird in Schweden Lucia gefeiert und dies ist mitunter ein Grund warum wir zu diesem Abenteuer nach Schweden gefahren sind. In unserem Hotel, in dem wir diese Woche übernachten, ist beim Frühstück ein Lucia-Konzert geplant, das wir auf keinen Fall verpassen wollten. Wir sicherten uns die besten Plätze, holten uns die besten Stücke vom Frühstücksbuffet und warteten geduldig auf den Einzug der Lucia und ihrem Gefolge. Der Chor klang himmlisch und engelsgleich. Die Räumlichkeiten rundeten das Gesamterlebnis ab. So kann man in den Tag starten.
Unser Tagesplan war bewusst nicht sehr eng gesetzt. Die letzten Tage waren doch etwas anstrengend und das Thermometer sollte heute noch tiefere Werte erreichen. Daher wollten wir zur Abwechslung eher viel Zeit drinnen verbringen.
Unser erstes Ziel war das Rathaus Stockholms, das erst an diesem Tag wieder Besucher empfang, nachdem die Nobelpreiswoche vergangen war. Stockholms stadshus ist heute die Heimat der Stockholmer Stadtregierung und des Stadtparlamentes. Es lieg am südöstlichen Ende der Insel Kungsholmen und wurde zwischen 1911 und 1923 nach Plänen des Architekten Ragnar Östberg im Stil der schwedischen Nationalromantik errichtet und am 23. Juni 1923 eingeweiht. In der Blå hallen, die übrigens keineswegs blau ist, findet jedes mal das Nobelbankett mit etwa 1250 Gästen statt. Jeder der Gäste hat, so wurde uns erzählt, aufgrund der beengten Platzverhältnisse nur etwa 50cm Platz am Tisch. Den Ehrengästen werden jeweils 5cm mehr zugestanden, jedoch auch diese müssen Schulter an Schulter dinieren. Das Rathaus ist kein Museum und aufgrund einer hitzigen Budgetverhandlung war es uns nicht möglich den Rådsalen zu besichtigen. Die uns gezeigten Räumlichkeiten, wie etwa der Goldene Saal, waren jedoch Entschädigung genug. Dort sind abertausende Mosaiksteine zu einem goldenen Gesamtkunstwerk arrangiert worden und spiegeln die Modernität der 1920er Jahre wider.
Das Kaufhaus Nordiska Kompaniet wird zurecht als das Harrods Skandinaviens bezeichnet. Die Ausschmückung der Schaufenster ist bei den Stockholmern genauso berühmt wie beliebt und sehr ideenreich. Das im Jugendstil erbaute Kaufhaus wurde im September 1915 eröffnet und beinhaltete die erste mechanische Rolltreppe Schwedens. Es sollte als modernes Kaufhaus der Zukunft für gehobenes Klientel dienen. Diesen Anspruch erfüllt es noch heute. Die internationalen Marken die heute im Gebäude eingemietet sind haben alle Rang und Namen. Preislich sind die angebotenen Waren eher am oberen Ende angesiedelt. Aber schauen kostet ja nichts und deshalb haben wir teilweise über den Preis kopfschüttelnd eine Erkundung gestartet.
Wer eine etwa 30 Zentimeter große Glasfigurine einer dicken Frau um umgerechnet 15.000€ oder einen Ohrensessel um 7500€ sucht, ist im NK absolut goldrichtig. Wer ohne die Intention solche Schnäppchen zu ergattern dem Kaufhaus einen Besuch abstattet wird aber nicht enttäuscht sein. Nebst der schönen Architektur, insbesondere dem in Marmor und Messing gehaltenen glasgedeckten Innenhof, findet im Keller auch allerhand Köstlichkeiten zu einem akzeptablen Preis und in den oberen Stockwerken fanden wir auch etwa Schafwollpantoffel um umgerechnet 70€.
Einige Euros ärmer aber viele Eindrücke reicher traten wir den Rückweg zum Hotel an.
Zurück zum Ursprung
Mittwoch, 14.Dezember 2022
Alles hat ein Ende und so auch unser Lucia-Abenteuer in Stockholm. Viele neue Eindrücke konnten sich zu alten Erinnerungen an die schwedische Hauptstadt in unser Gedächtnis einfügen. Wir waren nun schon mehrmals hier, doch jedes Mal haben wir das selbe Gefühl doch wieder nicht alles gesehen zu haben. Andererseits ist dies ein sehr guter Grund wiederzukommen.
In den vergangenen Tagen haben wir insgesamt 87,77 Kilometer bei eisigen Temperaturen zu Fuß zurückgelegt. Im Durchschnitt waren es nur 12,54 Kilometer am Tag.
• Donnerstag, 8.Dezember -> 8,89km
• Freitag, 9.Dezember -> 16,22km
• Samstag, 10.Dezember -> 12,01km
• Sonntag, 11.Dezember -> 14,78km
• Montag, 12.Dezember -> 19,09km
• Dienstag, 13.Dezember -> 11,38km
• Mittwoch, 14.Dezember -> 5,40km
Die Temperaturen waren immer weit unter dem Gefrierpunkt und wir mussten ungeplant unsere Garderobe aufbessern. Teils bedingt durch Umwelteinflüsse, ähnlich wie in Island, und teils wegen Materialermüdung waren wir gezwungen außerplanmäßige Stopps einlegen. Dennoch konnten wir all unsere gesteckten Ziele ansteuern und verbrachten wertvolle Tage in Schweden.
Die Suche nach dem Glögg war erfolgreich und einige Flaschen konnten für den Eigenbedarf importiert werden. Diese werden wir in der Weihnachtszeit genießen und an unsere schöne Zeit in Stockholm zurückdenken.
